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Ein Frühchen kämpft sich ins Leben

Danay Leighton
Autorin
Danay Leighton

Danay Leighton, geboren 1976, ist gelernte Integrationserzieherin. Berufsbegleitend studiert sie Psychologie und Kunsttherapie. Mit ihren Kindern lebt sie in einem verträumten Häuschen im Grünen – die eigene Erfahrung als Frühchenmutter hat sie so sehr geprägt, dass sie mit ihrem Buch „Ein Frühchen kämpft sich ins Leben“ anderen Eltern Mut machen möchte. Wir haben mit Danay Leighton gesprochen.

Wie kamst du auf die Idee, ein Buch zu schreiben?

Tagebücher hatte ich zuletzt als Teenager geschrieben- verbunden mit schnörkeligen Herzen und Jungs nachgetrauert, die mich nicht gebührend beachten wollten. 🙂

Eine Schwester der Neonatologie hat mir den Vorschlag gemacht, ein Tagebuch zu führen, um meine Gedanken und Gefühle wenigstens so teilen zu können. Langeweile auf dem Zimmer und ein Spaziergang zum Krankenhauskiosk – indem es wenig Auswahl gab – aber ein Buch mit leeren Seiten, führten dann zu den ersten Einträgen kurz nach der Geburt. Es verschwand dann in den Weiten einer Umzugskiste. Zum dritten Geburtstag haben wir die Station besucht. Draußen stand ein altes Ehepaar und sah sich die Fotos von der Station an und versuchte, Abkürzungen zu verstehen, wie SSW 24. Ich gesellte mich zu ihnen und erklärte es ihnen. Das Känguru nicht bedeutet, dass man mit den Kindern durch den Raum hüpft. Sie hatten viele Fragen und ich merkte, wie frisch die Erinnerung noch war.

Sie fragten, ob ich nicht schon einmal daran gedacht hätte, ein Buch zu schreiben. Auf der Station erzählte ich von dem älteren Paar vor der Tür und die Schwestern bestärkten die Idee, da es auch ihre Empathie stärkt zu wissen, was Eltern durchmachen und die Sensibilität für dieses Thema verstärken kann.

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Was hatte ich zu verlieren?

Vieles ist wieder hochgekommen und hat mich aktiv wieder beschäftigt, aber ich hatte den Abstand zur akuten Situation, in der sich mein Sohn nicht mehr befand. Als das Buch vor mir das erste Mal fertig lag, war es schon eine Erleichterung. Es ist ein wichtiger Teil unseres/ meines Lebens. Abgeschlossen werde ich damit wohl nie haben.

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Gab es bereits Probleme oder Auffälligkeiten während der Schwangerschaft?

Die Schwangerschaft wurde erst spät entdeckt, zugleich gab es Blutungen und bevor ich mich an den Gedanken gewöhnt hatte, war sie zu ende. Ich hatte in den Tagen vor Weihnachten vorzeitige Wehen, die mich nicht mehr schlafen ließen. Ich war völlig erschöpft und hatte keine Kraft mehr der Geburt entgegen zu setzen. Ich hatte in den Tagen vor der Geburt versucht, alles Erdenkliche zu machen, um den Zeitpunkt der Geburt hinaus zu zögern: viel Ruhe, kein schweres Essen, Beine hochlegen… jeder Tag zählte.

fruehchen kaempft sich ins leben
Edition Riedenburg E.U.

Wie waren die ursprünglichen Vorstellungen von Schwangerschaft und Geburt und wie kam es letztendlich?

Ich hatte bereits eine Tochter, die ich im Geburtshaus geboren hatte. Eine Hebamme fest an meiner Seite, die ich Monate zuvor schon kannte und die mich in der Schwangerschaft liebevoll begleitet hat. Warme freundliche Räume. Ich konnte sogar die Musik aussuchen, die Geburt selbstgestalten.

Die Geburt kommt mir rückblickend wie das Paradies vor!

Bei der Geburt meines Sohnes kann man den Vergleich eines Schlachthauses ziehen. Ich wurde wie eine Nummer behandelt. Ich versteh, dass es schnell gehen musste. Denke aber, dass gerade in einer Ausnahmesituation es umso wichtiger ist, schnell eine Beziehung zur Hebamme aufzubauen- zu irgendjemandem. Ich hatte wahnsinnige Angst und Schmerzen. Man tat nichts, um das zu ändern. Nicht mal einer Bitte nach was zum festhalten kam man nach und brüllte mich an. Meine Angst und Unsicherheit verstärkte sich stattdessen.

Alle rannten, keiner erklärte mir was. Ich lag auf einem Metalltisch, in einem bis an die Decke gekachelten Raum. Gruselig. Kalt. Sie rannten mit dem Baby raus. Ohne Erklärung. Ich konnte nicht mal einen Blick erhaschen. Ich erinnere mich nur an innere Leere und Angst. Glücksgefühle wie nach einer normalen Geburt kamen nicht. Sie waren unter einem Berg der Angst erdrückt.

Nach der Geburt musste ich darauf bestehen, wenigstens einen Blick auf mein Kind werfen zu dürfen. Etwas, was für andere Mütter selbstverständlich ist! Von nun an musste ich lernen, dass nichts mehr selbstverständlich war.

Welche Gedanken beschäftigten Dich nach der Geburt?

Auch wenn es absurd ist: Was hab ich falsch gemacht. Was hätte ich anders machen können? Wo hab ich einen Fehler gemacht?..Ich hatte keinen gemacht und ich konnte nicht dafür. Das wusste ich, aber die Gedanken kamen trotzdem. Angst und schon ein Viertel Panik. Angst nichts machen zu können, nicht helfen zu können. Die Bilder von den Schläuchen, den Maschinen gingen mir nicht aus dem Kopf. Sie machten mir grosse Angst.

Unsicherheit. Wie geht es weiter?

Dieses kleine Baby -für mich sah es aus wie ein Küken, dass zu früh aus dem Nest gefallen war. Sollte das mein Kind sein? Er war so winzig, zerbrechlich- es schien unwirklich. Das Schlimmste war der Kasten. Dieser Inkubator. Ich wollte jeden dieser Schläuche abreißen, meinen Sohn aus dem Inkubator nehmen und fest an meine Brust drücken. In den Arm nehmen und ihm zuflüstern: Alles wird gut! Ich passe auf dich auf! Das was man aus Instinkt mit jedem Kind macht, dass krank ist oder das man trösten möchte. In den Arm nehmen!

..das ging aber nicht..

Wie war das Thema Stillen für Dich?

Mit dem Stillen hatte ich zum Glück zuvor durch meine Tochter und die Begleitung durch das Geburtshaus schon Erfahrung. Abpumpen konnte ich mit Hilfe des Ausstreichens. Es ging schneller und schmerzte nicht. Es hatte den positiven Effekt, dass ich zumindest den Hauch eines Gefühls von wichtigem Beitrag leisten konnte! Schlimm war, dass Linus die Milch nicht vertrug und ich mit meiner Milchproduktion ins Leere lief. Nicht mal das konnte ich beitragen…

Hast du Kontakt mit anderen Frühcheneltern?

Während des Aufenthaltes auf der Neonatologie nicht. Ich war zu viel mit mir selbst beschäftigt. Die angebotene Elterngruppe auf der Station bestand – aus einer Schwester und mir.. Ich habe erst danach den Austausch mit anderen begonnen, nachdem wir halbwegs im Alltag angekommen waren. Davor fand ich besonders durch meine Hebamme vom Geburtshaus ein offenes Ohr bei Fragen.

Nun sitze ich als Facherzieherin für Integration auf der beratenden Seite und habe oft Frühcheneltern, die meine Hilfe erbitten und sich freuen, jemandem an ihrer Seite zu wissen, der weiß was sie durchgemacht haben. Unsicherheiten versteht.

Etwas was mir leider nicht gegönnt war.

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Wieviel Hilfe/Unterstützung hast du erfahren?

Zu wenig! Auf Ämtern musste ich gefühlt dreimal kämpfen und bekam dann auch nur die halbe Aufmerksamkeit, die wir benötigt hätten.

Frühchen bedeutet für viele nur; kam ein wenig früher. Nun ist das Kind zuhause – alles gut!

Mögliche Defizite, die erst später zum Vorschein kommen oder Fördermaßnahmen, weil das Geburtsdatum nicht gleich der Entwicklungstabelle entspricht, werden oft nicht ernst genommen.

Therapien, die das auffangen könnten und eine Unterstützung für die Eltern durch zusätzliche Beratung und Hilfestellungen darstellen könnten, oft viel zu spät bewilligt oder begonnen. Was schade ist und mir als Mama weh tut und als Pädagogin die Haare zu Berge stehen lässt. Da muss sich noch viel Empathie und Fachwissen breit machen um die Notwendigkeit zu sehen.

Leid tun mir auch die Augenringe, die vor mir stehen und so kämpfen oder gar nicht um die Möglichkeit wissen, die sie hätten, weil die Ämter und Krankenkassen gefühlt nicht wirklich informieren. Daher denke ich, dass der Austausch von Betroffenen wirklich wichtig ist.

Wir danken dir für das Gespräch und wünschen Dir und Deiner Familie alles Gute für die Zukunft!

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