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Frühchen gehen lassen…

früher verlustLange habe ich überlegt, wie ich an dieses Thema „auch Frühchen sterben“ herangehe und ob ich es überhaupt ins Portal mit aufnehme – immer mit dem Gedanken, dass Eltern, die hier nach Informationen suchen, zum einen zwar Aufklärung suchen, zum anderen aber auch sicherlich „Strohhalme“ – ich als Frühchenmutter weiß das nur zu gut. Zugleich bin ich bei diesem Thema vorbelastet, denn auch meine Tochter ist gestorben. Dennoch ist und bleibt dies ein Thema, vor dem wir alle nicht weglaufen können – auch wenn uns das am Liebsten wäre.

Unsere Sternenkinder

Ich denke, wenn wir eines sicher sagen können ist es, das all unsere kleinen Frühchen absolute Kämpfer sind. Manchmal reicht aber Kämpfen alleine nicht, nämlich dann, wenn der kleine Körper einfach keine Kraft mehr hat. Wenn das Kind entschieden hat, zu gehen. Wenn unser Frühchen sterben „muss“.  Dazu möchte ich euch eine kleine Geschichte erzählen. Ich habe während der Intensivzeit mit meiner kleinen Maus eine Familie auf Station kennengelernt, die ebenfalls um das Leben ihrer Tochter bangte. Sie hatte eine seltene Erkrankung mit ungünstiger Prognose. Es war, wie bei vielen Frühchen, ein stetes auf und ab. Eine Achterbahn der Gefühle zwischen Hoffen und Bangen. Dieses Kind hat eine sehr lange Zeit auf der Intensivstation verbracht. Wenn ich mich richtig erinnere, war es bereits fast ein Jahr alt – und noch nie hatte es seit seiner Geburt die Neonatologie verlassen dürfen.

Es kam irgendwann der Zeitpunkt, an dem seitens der Eltern überlegt werden musste, ob sie die kleine Maus gehen lassen „wollen“; die Aussichten, dass sich etwas deutlich zum Positiven wenden würde waren nicht gegeben. Es wird sicherlich eine der schwersten Entscheidungen ihres Lebens gewesen sein. Sie haderten mit sich und wussten weder ein noch aus. Es kam der Tag, an dem die Eltern sehr schweren Herzens entschieden, sie gehen zu lassen. Sie liessen die kleine Maus taufen und verabschiedeten sich, in Ruhe und mit aller Würde für den kleinen Menschen. Sie besaßen wahnsinnig viel Kraft und Stärke in dieser Situation und meine Bewunderung dafür geht ins Unermessliche!

Und was machte die Kleine Maus? Sie lebte „einfach“ weiter. Ihre Werte verbesserten sich.. Und gab auf einmal sogar einen leisen Ton von sich. Natürlich ging alles wieder auf Anfang, die maximale Therapie wurde wieder eingeleitet. Hoffnung keimte erneut auf. Doch etwas weniger als eine Woche später verstarb sie. Man könnte vermuten, die kleine Maus hat entschieden zu gehen. Vielleicht war es aber auch ein „normaler Vorgang“, hat man doch schon davon gehört das Patienten manchmal kurz bevor sie versterben noch einmal aufblühen. Es gibt eben Dinge zwischen Himmel und Erde, für die wir leider(?) nie eine „rationale“ Erklärung bekommen.

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Mich persönlich hat es in dem Gedanken bestärkt, dass ein jeder Mensch instinktiv weiß, wann es an der Zeit ist.. wenn es an der Zeit ist. Und das Maschinen und die moderne Medizin sicher viel ausrichten können – den Tod aber nur bedingt aufhalten können. Ich wollte dies seinerzeit „trotzdem“ nicht wahrhaben, ebensowenig wie mein Mann, ich hatte diese Kraft nicht – meine Maus wurde 1,5 Stunden lang erfolglos reanimiert. Einen geliebten Menschen gehen lassen zu müssen, ist eine der schmerzvollsten Erfahrungen, die man machen muss. Eine Erfahrung, die eben auch Frühcheneltern machen müssen. Oder Eltern behinderter oder chronisch kranker Kinder…oder…

Die Zeit auf der Neonatologie ist eben auch mit diesem Thema „behaftet“. Also gehört es ins Frühchen Portal – denn auch Eltern verstorbener Frühchen sind Frühcheneltern, die vielleicht Zuspruch oder Hilfe und Informationen suchen. Schon während der Intensivzeit erlebt man, wie andere Frühchen es nicht schaffen. Soviel Diskretion und Datenschutz kann es auf einer Neo gar nicht geben, dass man nicht doch mitbekommt, wenn ein Inkubator plötzlich leer ist, indem zuvor ein Frühchen lag, welches sicherlich noch nicht „Entlassungsreif“ war. Zudem knüpft man Kontakte, lernt andere Eltern näher kennen und spricht fast nur noch über Werte, Alarme und Versorgungsrunden.

So kommt man immer wieder in die Nähe dieses mehr als unangenehmen Themas, ob man möchte oder nicht. Immer in der Hoffnung, dass es einen selbst nicht trifft. Machen wir uns nichts vor.

Trifft es einen aber doch -so schlimm das Ganze auch ohnehin schon ist – die Realität kommt mit einem weiteren Hammerschlag und es müssen Behördengänge gemacht werden, Formulare ausgefüllt werden, während man noch dabei ist, zu versuchen zu realisieren was da grad geschehen ist, kurzum: Es müssen Dinge, für die man in einer solchen Situation eigentlich weder Kraft hat, noch sich damit befassen möchte, geregelt werden. Bumm. Ob man will oder nicht oder kann oder auch nicht, es ist einfach so.

Aus diesem Grunde wird dieser Bereich nach und nach mit Informationen zu sterben und Tod bestückt. Aber nicht nur mit Formularen und Paragraphen, sondern auch mit Dingen, die einem vielleicht helfen können in dieser Zeit. So ist vielleicht zumindest eine kleine, zusätzliche, wenngleich auch im Vergleich unbedeutende Last genommen und man kann sich wieder auf das Wesentliche konzentrieren.. die Trauer, das Abschiednehmen um irgendwann verarbeiten zu lernen.

Ich wünsche allen Frühcheneltern, die diesen Weg gehen mussten oder noch müssen, dass sie die Kraft haben, sollte es erforderlich sein, die für sich als Familie richtigen Entscheidungen aus vollem Herzen treffen zu können, wie auch immer sie ausfällt.

Ich entschuldige mich vorab schon dafür, sollte ich nicht immer die richtigen Worte gefunden haben – es ist ein sehr schwieriges Thema und auch wenn ich „Erfahrung“ mit selbigem habe, so reagiert jeder doch anders auf bestimmte Sätze oder Phrasen ; in einer Zeit, in der man ohnehin hochsensibel auf alles reagiert.

 

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